Sinkende Investitionsausgaben bringen Transformation der Industrie in Gefahr
Die Aussichten für das laufende Jahr verbessern sich, die sinkenden Investitionsausgaben vor allem beim verarbeitenden Gewerbe bedrohen jedoch die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft. Das geht aus der aktuellen Konjunkturumfrage der Deutsch Tschechischen Industrie- und Handelskammer hervor.
Nach einem schwierigen letzten Jahr, das durch Halbleitermangel, anhaltenden Fachkräftemangel, eine Rekord-Inflation und infolgedessen weiter steigende Nominallöhne geprägt war, beurteilen die Unternehmen auch im ersten Quartal 2024 die aktuelle Wirtschaftslage mit dem schlechtesten Wert seit über 10 Jahren. Nur 12% (im Vergleich zu 19% im Jahr 2023) bewerten die aktuelle Wirtschaftslage als gut, während 22% sie als schlecht einschätzen.
Die Wirtschaftsaussichten für das laufende Jahr hellen sich jedoch auf: 30% der Unternehmen (im Vergleich zu 19% im Vorjahr) rechnen mit einer Besserung. In fast allen Parametern bleibt das für Tschechien so wichtige verarbeitende Gewerbe deutlich pessimistischer. Nur 19% erwarten eine Verbesserung der Wirtschaftslage, während ganze 41% des verarbeitenden Gewerbes mit einer Verschlechterung rechnen. Die Industrie trägt in Tschechien rund ein Drittel zum gesamten Bruttoinlandsprodukt bei.
Die Geschäftsaussichten verbessern sich im Vergleich zum Vorjahr. Bei der Aufschlüsselung nach Branchen zeigt sich jedoch auch hier das verarbeitende Gewerbe erneut als Schlusslicht, mit lediglich 28% der Befragten, die von einer Verbesserung ausgehen. Im Dienstleistungssektor sind es dagegen 44%.
Die sich öffnende Kluft zwischen dem Dienstleistungssektor und dem verarbeitenden Gewerbe wird noch deutlicher, wenn man die erwartete Entwicklung des Gesamtumsatzes für 2024 betrachtet. Aktuell rechnen nur 37% des verarbeitenden Gewerbes (im Vergleich zu 51% im Jahr 2023) mit einer Verbesserung, während es bei den Dienstleistern satte 60% sind!
Dieser Trend spiegelt sich ähnlich auch in einer seit vier Jahren in Folge sinkenden Beschäftigungsprognose wider. Auch hier ist das verarbeitende Gewerbe mit 19% deutlich zurückhaltender als der Dienstleistungssektor mit 36% der Unternehmen, die mit einer steigenden Beschäftigungszahl rechnen. Schlusslicht bildet der Handel mit nur 13%, was auch eine Folge der schwachen Binnennachfrage ist. Das Baugewerbe zeigt sich optimistischer (38%), was sicherlich auch auf die jüngste Senkung des Leitzinses durch die Tschechische Nationalbank zurückzuführen ist.
Die Entwicklung der Investitionsausgaben für 2024 ist alarmierend. Ohne ausreichende Investitionen können Unternehmen in einem schwierigen globalen Umfeld kaum ihre Wettbewerbsfähigkeit sichern. Hier verzeichnen wir fast das sechste Jahr in Folge einen Abwärtstrend. Angesichts der enormen Investitionen, die Unternehmen in eine nachhaltige Energieversorgung und -effizienz, in Digitalisierung und Automatisierung sowie in die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle tätigen müssen, tut sich eine Kluft auf zwischen dem rapide steigenden Transformationsdruck und zugleich sinkenden Investitionen. Dies gilt dramatisch insbesondere für das verarbeitende Gewerbe. Ganze 39% der Unternehmen rechnen mit sinkenden Investitionen. In diese Kategorie fallen Unternehmen aus dem Bereich Automotive und Maschinenbau, die für die Wirtschaftsentwicklung Tschechiens so entscheidend sind.
„Mitverantwortlich dafür ist der Kostendruck, der für Unternehmen in nahezu allen Bereichen gestiegen ist - sei es bei der Energieversorgung, den Löhnen, den Rohstoffen oder den Lieferketten. Auch der zunehmende administrative Aufwand durch zahlreiche Nachweispflichten, die den Unternehmen auferlegt werden, ist kostspielig", erklärte der geschäftsführende Vorstand der Deutsch Tschechischen Industrie- und Handelskammer, Bernard Bauer.
Das größte Risiko für die eigene wirtschaftliche Entwicklung in den kommenden 12 Monaten sehen die Unternehmen in einem Rückgang der Nachfrage (58%). Die Unternehmen rechnen mit einer Fortsetzung der Krise bei der Inlands- und der Auslandsnachfrage. Weitere Risiken sind unter anderem der Fachkräftemangel (48%), steigende Energiepreise (46%) und Arbeitskosten (44%). Darüber hinaus gehen über 60% der Unternehmen davon aus, dass geopolitische Veränderungen und Konflikte ihre Geschäftstätigkeit in Tschechien "stark" oder "spürbar" negativ beeinflussen werden.
Werfen wir einen Blick auf die Faktoren, die Tschechien zu einem attraktiven oder weniger attraktiven Investitionsstandort machen. Das Land punktet wie immer mit seiner EU-Mitgliedschaft (Platz 1), seinen Qualitäten im Bereich der Telekommunikation inklusive Netzqualität und Dienstleistungen (Platz 2) und traditionell mit seiner "Qualität und Verfügbarkeit lokaler Zulieferer" (Platz 3).
Tschechien schneidet erwartungsgemäß schlecht ab bei der "Verfügbarkeit von Fachkräften" (Platz 25), der "Transparenz der öffentlichen Vergabe" (Platz 24), der "Effizienz der öffentlichen Verwaltung" (Platz 22/23) sowie aktuell auch bei der "Berechenbarkeit der Wirtschaftspolitik" (Platz 22/23).
Gefragt, ob sie Tschechien wieder als Investitionsstandort wählen würden, antworten 17 % der Unternehmen mit "nein", was der höchste Wert seit 2011 ist. Polen, Bulgarien und auch Bosnien werden als alternative Investitionsstandorte genannt.
Da die Digitalisierung eine zentrale Rolle für die Transformation und Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft spielt, hat die DTIHK die Unternehmen auch dazu befragt. Demnach halten über 60 % der Unternehmen den Stand der Digitalisierung in ihrem Betrieb für "gut" oder sogar "sehr gut", während knapp 30 % ihn immerhin noch für "befriedigend" halten.
Die größte Herausforderung für eine erfolgreiche Digitalisierung besteht laut drei Fünftel der Unternehmen in der Weiterbildung von Belegschaft und Führungskräften. Für jedes zweite Unternehmen ist die Akzeptanz bei Mitarbeitenden und Kunden eine große Herausforderung.
Gefragt nach den Kompetenzen, die bei ihren Führungskräften und Mitarbeitenden weiterentwickelt werden müssen, steht mit 62 % an oberster Stelle die Fähigkeit, Daten zu verstehen, sie zu analysieren, auszuwerten und für die Geschäftstätigkeit zu nutzen. Gleich danach folgt die Arbeit mit "Künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen" (55 %), sowie "Digitales Prozessverständnis, digitale Denkweise und Veränderungsbereitschaft" (46 %).
Die Umfrage der DTIHK wurde im Zeitraum vom 19. Februar bis zum 15. März 2024 durchgeführt, und insgesamt nahmen 140 Mitgliedsunternehmen der DTIHK sowie deutsche Unternehmen in Tschechien teil. Alle Ergebnisse der DTIHK-Konjunkturumfrage 2024 finden Sie auf der Webseite der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer.