Unternehmen sehen Kostensteigerungen und Dauerkrise bei Verfügbarkeit und Ausbildung von Fachkräften als größte Risiken
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Tschechien punktet weiterhin mit der „Akademischen Ausbildung“, der „Produktivität und Leistungsbereitschaft der Arbeitnehmer“ und der „Qualität und Verfügbarkeit lokaler Zulieferer“, aber Energiepreise und Arbeitskosten gelten als die größten Risiken, daher rechnet knapp ein Viertel der Unternehmen sogar mit sinkenden Investitionen.
Eine gute Nachricht vorab: Der deutsch-tschechische Handel ist auch im vergangenen Jahr auf einen neuen Rekordwert von 113 Mrd. EUR gewachsen und bleibt voraussichtlich auch 2023 das Zugpferd des tschechischen Außenhandels. Aber: Die Rezession spiegelt sich in der aktuellen Konjunkturumfrage der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer (DTIHK) auch in einer Stagnation bei den meisten wichtigen Indikatoren für die weitere Jahresentwicklung wider.
Wirtschafts- und Geschäftsaussichten
Die Unternehmen in Tschechien bewerten die Wirtschaftsaussichten für das laufende Jahr wesentlich weniger optimistisch. Nur 19 % der Firmen rechnen mit einer Verbesserung der Wirtschaftsaussichten, 38 % mit einer Verschlechterung – ein Negativsaldo („besser / schlechter“) von 19 %. Damit sind wir fast wieder beim Stand von 2013 angekommen.
Bei den eigenen Geschäftsaussichten blicken die Firmen wie üblich mit mehr Optimismus auf die künftige Entwicklung. Im Jahresvergleich mit 2021 erleben wir allerdings auch hier einen Trend nach unten: „bessere“ Geschäfte erwarten 36 % der Unternehmen (11 % weniger als 2021), aber 11 % mehr Unternehmen (insgesamt 23 %), erwarten eine Verschlechterung. Positivsaldo: 13 %.
Export, Investitionen, Beschäftigung
Bei den Exportaussichten gehen 27 % von einer Steigerung aus, 16 % von sinkenden Exportzahlen, ein Positivsaldo von 11 %, vor zwei Jahren waren es noch 21 %. Ein wichtiger Indikator für die künftige Entwicklung sind vor allem die geplanten Investitionen. Auch hier zeigt sich eher Zurückhaltung. Ein Drittel der Unternehmen will seine Investitionen steigern, knapp ein Viertel (23 %) geht jedoch von sinkenden Investitionen aus, der Höchstwert in den vergangenen fünf Jahren.
Alarmierend ist, dass unter diesen Unternehmen vor allem das für Tschechien wichtige verarbeitende Gewerbe seine Investitionen zurückfahren will. Gleiches gilt für die Beschäftigungsprognose. Zwar verzeichnet sie noch einen Positivsaldo von 18 %, das verarbeitende Gewerbe ist aber auch hier zurückhaltender als der Dienstleistungssektor.
Die größten Risiken: Kosten
Hinsichtlich der Lohnkosten kommen auf die Unternehmen satte Steigerungen zu. Fast zwei Fünftel (39 %) erwarten eine Erhöhung von deutlich über 8 %. Darin spiegelt sich klar der Inflationsausgleich. Das schlägt sich auch in der Risikoanalyse der Unternehmen nieder: Energiepreise (60 %) und Arbeitskosten (57 %) werden als die größten Risiken gesehen, an dritter Stelle folgt der Kostentreiber Fachkräftemangel (53 %).
„Die erwarteten Kostensteigerungen nehmen ein großes Stück vom Budgetkuchen weg, auf Kosten der notwendigen Investitionen. Das sehen wir als großes Risiko für die tschechische Wirtschaft. Gerade für die Transformation im Bereich erneuerbarer Energie, Digitalisierung und Elektromobilität sind deutliche Investitionssteigerungen erforderlich, um die Zukunftsfähigkeit zu sichern“, so DTIHK-Präsident Milan Slachta.
Standortkriterien „Human Resources“
Unter den Top 5 der Standortqualitäten haben sich lediglich Verschiebungen innerhalb der Gruppe ergeben. Langfristige positive Konstanten sind neben der EU Mitgliedschaft Tschechiens und der Zahlungsdisziplin vor allem die akademische Ausbildung (Platz 3), die „Produktivität und Leistungsbereitschaft der Arbeitnehmer“ (Platz 4) und die „Qualität und Verfügbarkeit lokaler Zulieferer“ (Platz 5).
In der Rangfolge von 21 Faktoren haben die Unternehmen jedoch das „Berufsbildungssystem“ in Tschechien wieder auf den vorletzten Platz verbannt (letzter Platz: „Verfügbarkeit von Fachkräften“). Es fehlt nach wie vor die enge Verzahnung von schulischer Theorie und Praxis in den Unternehmen.
Wettbewerbsfähigkeit in Gefahr
Und diese Verzahnung sehen die Unternehmen als wesentlich an für die Wettbewerbsfähigkeit Tschechiens. Der größte Bedarf an „Mitarbeiterkompetenzen“: Soft-Skills, wie Kommunikation und Teamarbeit (63 %), tieferes Verständnis und Nutzung digitaler Technologien“ (51 %) und hybride Führungskompetenz (47 %).
„Wir nehmen mit großer Sorge wahr, dass sich das staatliche Berufsbildungssystem kaum verbessert hat, während sich die kommunikativen, technologischen und digitalen Anforderungen in den Unternehmen rasant verändern. Diese Schere wird noch weiter auseinandergehen“, so DTIHK Geschäftsführer Bernard Bauer. Das bestätigen auch aktuelle Studien des Internationalen Währungsfonds zur Transformation in Tschechien.
„Die unsichere Marktlage erhöht die Dringlichkeit der digitalen Transformation. Wir sehen jedoch schon heute, dass es dafür nicht genügend qualifizierte Leute auf dem Markt gibt“, sagt auch HanaSoučková, DTIHK-Vorstandsmitglied und Generaldirektorin von SAP CZ. „Deshalb arbeiten wir bei SAP intensiv daran, den IT-Bereich für Schüler und Bildungseinrichtungen attraktiver zu machen und die digitalen Fähigkeiten tschechischer Arbeitnehmer zu verbessern. Die Fähigkeit, Neues zu lernen, wird bei der Rekrutierung für neue Positionen in Unternehmen zunehmend gefragt sein.“
MOE-Länder-Ranking*
Im Attraktivitäts-Ranking der MOE-Länder steht Tschechien mit Platz 3 hinter Slowenien (1) und Polen (2). Bis 2018 hielt Tschechien mehrere Jahre unumstritten Platz 1, in den folgenden Jahren bis zum Ukrainekrieg konnte Estland bei den Investoren am meisten Punkte sammeln.
* Das MOE-Ranking der Investitionsstandorte basiert auf Daten von insgesamt 15 deutschen Auslandshandelskammern in den jeweiligen Ländern.